Wie Lebensmittelunternehmen mit Krisen im Social Web umgehen
Lebensmittel – keine andere Branche steht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Und das Internet trägt in seiner Eigenschaft, wie ein Katalysator im Krisenfall zu wirken, maßgeblich dazu bei. Schlechte Nachrichten verbreiten sich rasant, innerhalb kurzer Zeit entspinnt sich ein lebhafter Diskurs auf Social-Media-Plattformen – nicht selten mit der Folge, die Reputation eines Unternehmens nachhaltig zu schädigen. Nur schnelle und umsichtige Krisenkommunikation, die die Gesetzmäßigkeiten der virtuellen Gemeinschaft kennt, hilft in den entscheidenden Situationen richtig zu reagieren.
Nur wenige Stunden dauerte es, bis sich der Vorläufer eines Shitstorms gebildet hatte und die Facebook-Seite eines Nahrungsmittelunternehmens (der Name bleibt aus Gründen der Vertraulichkeit ungenannt) mit negativen Kommentaren gefüllt war. Vorausgegangen waren Medienberichte über Mängel bei der Produktion von Lebensmitteln. Professionelle Krisenkommunikation war also umgehend gefordert.
Das Unternehmen reagierte schnell und stellte als erste Reaktion eine Pressemitteilung auf die Homepage und auf die Facebook-Seite. Ziel der Meldung war es, rasch über die Tatsachen zu informieren, die Unternehmens-Position zu erläutern, Emotionalität angesichts der Verfehlung auszudrücken und die nächsten Schritte des Vertrauensaufbaus von Seiten des Unternehmens darzustellen. Da sich Pressemitteilungen für die Krisenkommunikation im Web 2.0 nur bedingt eignen, wurden diese adaptiert und entsprechend der Sprache der Facebook-Community angepasst. Eine persönlichere und empathischere Ansprache, die die aktuellen Entwicklungen aufgriff, stand im Mittelpunkt. Ein Link führte zu weiteren Informationen auf die Homepage. Außerdem installierte das zuständige Team für Krisen-PR ein umfangreiches Webmonitoring mit der dazugehörigen Influenceranalyse. Relevante Opinion-Leader und die Facebook-Seite des Unternehmens standen ab sofort unter permanenter Beobachtung, der Dialog mit der Community wurde aktiv aufgenommen: Die Spezialisten nahmen Stellung zu kritischen Fragen, gaben News weiter, moderierten die virtuellen Gespräche und gaben „Dauernörglern“ die Möglichkeit, ihren Standpunkt aus einer anderen Warte zu betrachten. Journalisten, die versuchten die Diskussion wieder zurück in den negativen Bereich zu drehen, wurden gesondert angesprochen. Im Verlauf der Krisenkommunikation nahm die Anzahl der positiven Kommentare auf der Social-Media-Plattform zu: Kunden und Mitarbeiter hielten dem Unternehmen die Treue, sie stellten sich in der öffentlichen Diskussion auf Facebook hinter den Nahrungsmittelproduzenten. Durch die offensive Debatte entstand sogar eine Unterstützergruppe mit separatem Facebook-Account. Das Ergebnis: Dank zielgerichteter Moderation und Krisenkommunikation gab es zwar kritische Posts, diese jedoch übernahmen nicht die Meinungsführerschaft – die Diskussion eskalierte nie.
Auch ein zweites Nahrungsmittelunternehmen erfasste die Macht der Massen aus dem Netz. Ein Bericht in einer regionalen Boulevard-Zeitung verbreitete die Nachricht, dass die Firma einen hohen Politiker auf Unternehmenskosten zu einem Event eingeladen hat. Andere Medien griffen das Thema auf, das sich mit hoher Dynamik – auch dank Twitter – rasant verbreitete. Es dauerte deshalb nicht lang, bis sich auch auf der Facebook-Seite des Produzenten die ersten Posts einfanden. Eine Analyse ergab: Vor allem der Politiker stand im Zentrum der Kritik, weniger die Firma selbst. Die Plattform nutzten die User in erster Linie, um ihre Empörung über den Volksvertreter Ausdruck zu verleihen. Obwohl es einige Posts und bei Twitter auch Tweets gab, die feindselig waren, verlief die Krisenkommunikation vorbildlich: Die Krisenexperten reagierten sachlich und schnell. So konnte eine Eskalation auf den Social-Media-Plattformen verhindert und der Unterhaltungsfaktor der Posts, beispielsweise in Form humorvoller Wortspiele, in den Vordergrund gerückt werden.
Beide Beispiele zeigen, dass eine erfolgreiche Krisenkommunikation im Web 2.0 entscheidend davon abhängt, umgehend und professionell zu reagieren.
20 Regeln für die Krisenkommunikation 2.0
- Emphatisches zuhören und Inhaltsentwicklung beobachten
- Influencer identifizieren
- Relevanz des Themas bewerten
- Das Skandalpotenzial eines Themas nicht unterschätzen
- Verantwortung für eigene Fehler übernehmen
- Erreichbarkeit auf allen Kanälen sicherstellen (Schlüssel der Krisenkommunikation)
- Ehrlich bleiben und nur Inhalten posten die belastbar sind
- Mit Schnelligkeit in der Krisenkommunikation punkten
- Die eigene Persönlichkeit einbringen
- Eigene Emotionen erkennbar machen
- Offen bleiben für Ironie und Humor und nicht provozieren lassen
- Individuelle Lösungen anbieten und ggfs. entwickeln lassen
- Inhaltlich immer dran bleiben, mitmachen und Bestandteil der Debatte werden
- Konfrontationen vermeiden
- Intervention über „dritte Quellen“ möglich machen: Klassische Medien, Fachleute, Meinungsbildner etc.
- Datenschutz respektieren
- Mit offenen Visier arbeiten
- keine Undercoveraktionen durchführen (das Netz ist Technik und Technik ist leicht rückverfolgbar)
- Social Media Guidelines innerhalb der Organisation einführen
- Klaren und eindeutig begründeten Ausstieg finden
Im besten Fall ist das Unternehmen jedoch mittels eines präventiven Web-Monitorings bereits optimal auf Krisenfälle vorbereitet und hat sich online bereits ein Netzwerk aufgebaut. Denn immer öfter entscheidet sich der Erfolg oder Nichterfolg von Krisenkommunikation und Krisenmanagement im Web 2.0.
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